Rede Dr. Ingrid Wölk, Sehr geehrter Herr Zimmer, meine Damen und Herren, Herzlich willkommen im Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte und zur Eröffnung der Ausstellung „Schicksalsort Gefängnis. Opfer der NS-Justiz in der Krümmede“. Zwischen 1933
und 45 durchzog eine Vielzahl von Haftstätten das Deutsche Reich:
Konzentrationslager samt den ihnen zugeordneten ca. 1.000 Außenlagern,
Zwangsarbeiterlager, Arbeitserziehungslager, spezielle Lager für Sinti und
Roma und natürlich Gefängnisse. Nach Kriegsbeginn kamen die
Konzentrations-, Vernichtungs- und andere Lager in den besetzten Ländern
hinzu. Die Vollzugsanstalten der Justiz in der NS-Zeit dagegen waren lange Zeit kein Gegenstand historischer Forschung. Ging man doch davon aus, die Juristen hätten Recht gesprochen, unabhängig von dem Regime, das gerade an der Macht war und die Gefangenen hätten zu Recht dort gesessen. Sicher trug die bahnbrechende Arbeit von Nicolaus Wachsmann von 2004, Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat, entscheidend dazu bei, den bis dahin „weißen Fleck“ mit Inhalt zu füllen. Die
Justizanstalten wurden nach 1933 Teil des NS-Terrorapparates. Zwischen
1933 und 1945 waren mehrere Millionen Menschen in den Gefängnissen der
Justiz inhaftiert, darunter zahlreiche „Kriminelle“, aber auch Menschen,
die aus politischen Gründen einsaßen. Im Unterschied zu den Gefangenen der
Polizei war ihrer Haft eine gerichtliche Verurteilung voraus gegangen oder
sie stand – im Falle der Untersuchungshäftlinge – noch aus. Die Übergänge zwischen den Gefängnissen der Justiz und der Polizei waren fließend. So war es wohl an der Tagesordnung, dass die Polizei von der Justiz entlassene Untersuchungsgefangene in ihre Gefängnisse ‚übernahm‘. Auch in Bochum, wo enge Kontakte zwischen der Leitung der JVA und der Gestapo bestanden. In der Kriegsendphase geriet ein Teil der in der „Krümmede“ einsitzenden Gefangenen, die schon auf ihre Befreiung hofften, in große Gefahr, der Gestapo übergeben zu werden, was ihre Hinrichtung bedeutet hätte. Angesichts der sich nahenden Front hatte der Generalstaatsanwalt in Hamm Anfang 1945 die Aufteilung der Gefangenen in drei Gruppen verfügt: Alle „leichteren“ Fälle standen zur Entlassung an, die besonders „schweren“ Fälle sollten der Gestapo überstellt und die ‚dazwischen‘ in Marsch gesetzt werden, um sie in anderen Gefängnissen vor den alliierten Truppen in ‚Sicherheit‘ zu bringen. Zur Übergabe von Justizgefangenen an die Gestapo kam es in Bochum nicht mehr. Doch die berüchtigten Evakuierungsmärsche fanden im März 1945 statt. Sie erreichten ihre jeweiligen Ziele nicht. Ein Großteil der Gefangenen, die bis dahin überlebt hatten, wurde ins Bochumer Gefängnis zurückgetrieben, wo sie von den Alliierten befreit wurden. Wer waren die
Menschen, die in Bochum als politische Häftlinge in der „Krümmede“
einsaßen, manche für längere Zeit, andere nur sehr kurz und sozusagen auf
der ‚Durchreise‘? Ihnen ein Gesicht zu geben, ihre Geschichte ans Licht zu
bringen, ist das Anliegen von Alfons Zimmer, der seit 24 Jahren als
Pastoralreferent in den Bochumer Strafvollzugsanstalten arbeitet. Bisher
hat er die Namen von über 160 Menschen zusammengetragen. Wie es dazu kam
und wie er dabei vorgegangen ist, schildert er selbst. Alfons Zimmer
gebührt Dank und große Anerkennung für seine Arbeit! Um die biografisch angelegte Ausstellung in den historischen Kontext einbetten zu können, bietet das Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte in Kooperation mit der Dokumentations- und Forschungsstelle Justiz und Nationalsozialismus NRW in der Justizakademie NRW im Herbst/Winter 2016/17 eine Vortragsreihe an: „Justiz und Polizei im ‚Dritten Reich‘. Das Beispiel Bochum“. Näheres zeitnah unter www.bochum.de/stadtarchiv. Ich wünsche der Ausstellung „Schicksalsort Gefängnis. Opfer der NS-Justiz in der Krümmede“ viele interessierte Besucherinnen und Besucher. Ingrid Wölk, Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte |